Wie sensibel ist der Vizsla?

von Nov 15, 2020

Der Vizsla wird häufig als besonders „sensibel“ beschrieben. In einem Atemzug werden ihm dann auch Eigenschaften wie „Leichtführigkeit“ und „leichte Erziehbarkeit“ zugesprochen, die auf besagte Sensibilität zurückzuführen seien. Aus meiner Sicht sind „Sensibilität“ und „Leichtführigkeit“ beim Vizsla zwei völlig entgegengesetzte Merkmale, die man keinesfalls miteinander gleichsetzen sollte. Und ich erkläre Euch im heutigen Beitrag auch wieso.

Der Vizsla ist sensibel, aber…

Ich kann die Aussage, dass der Vizsla unglaublich sensibel ist, nur unterschreiben. Dass er deshalb leicht zu erziehen oder gar ein Anfängerhund sei, dagegen nicht! Dieses Missverständnis beruht meiner Meinung nach darauf, was wir gemeinhin mit einem „sensiblen Hund“ verbinden. Viele assoziieren mit dieser Eigenschaft eine gewisse Schwäche oder den vermeintlichen Wunsch des Hundes, sich von selbst unterzuordnen und auf die kleinste Strenge ängstlich und schreckhaft zu reagieren.

Dieses Bild wird nicht zuletzt auch durch Fachtexte geprägt, in denen zu lesen ist, dass der Vizsla „keine harte Hand“ vertrage. Schnell vermuten dann gerade Rasse-Neulinge, dass sich so ein Vizsla „ganz von allein“ erzieht, da er ja eben keine „harten“ Korrekturen mag oder gar braucht. Doch damit beginnen oft die Probleme.

Denn der Vizsla braucht in der Tat eine sehr konsequente Erziehung, die viel Geduld und Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Rasse erfordert. Härte ist hierbei zwar tatsächlich nicht der richtige Weg. Aber dem Vizsla alles durchgehen zu lassen, weil er so sensibel ist? Auch das ist der völlig falsche Ansatz.

Wie sich die Sensibilität des Vizslas auf die Erziehung auswirkt

Der Vizsla ist in erster Linie ein Jagdhund. Er wurde dafür gezüchtet, leiseste Geräusche, weit entfernt liegende Gerüche oder auch Bewegungen im Unterholz wahrzunehmen und seinen Jäger zur entsprechenden Beute zu führen. Das heißt, der Vizsla reagiert natürlicherweise sehr sensibel auf äußere Reize. Das kann man leicht beobachten, wenn man einen Vizsla bei der jagdlichen Arbeit begleitet. Aber auch die nicht-jagdlich geführten Hunde zeigen eine hohe Reizsensibilität: Es genügen kleine Bewegungen und Geräusche, damit der Vizsla voll aufdreht. Seine Sinne sind eben aufs äußerste geschärft, so dass es der Rasse üblicherweise schwerfällt, zur Ruhe zu kommen – ganz besonders in unbekannten Umgebungen.

Wie wirkt sich diese Sensibilität nun aber auf die Erziehung des Vizslas aus? Macht sie ihn leichtführig und besonders gehorsam? Die Antwort lautet: Nein! Kein Hund – auch nicht der Vizsla – verfügt über einen natürlichen Gehorsam. Einen Hund, besonders an für ihn reizvollen Umgebungen, leicht führen zu können, und ihm einen guten Grundgehorsam beizubringen, erfordert Zeit, Konsequenz und eine Menge Geduld.

Der dem Vizsla angeborene „will to please“, den auch andere Jagdhundrassen zeigen, vereinfacht sein Gehorsamstraining jedoch. Seine Sensibilität, die ich gerne auch mit Feinfühligkeit übersetze, ist dabei Fluch und Segen zugleich: Vizslas merken sehr schnell, in welcher Stimmung sich ihr Besitzer befindet – und spiegeln diese dann.

Positive Verstärkung und Konsequenz sind der Schlüssel zum Erfolg   

Ich selbst habe mich an manchen Nachmittagen in der Hundeschule gefragt, wieso Bayard so überaus hibbelig und unkonzentriert ist. Bis mir auffiel, dass ich selbst gestresst in das Training gestartet war, weil ich mich beispielsweise auf der Arbeit über etwas geärgert hatte. Meine schlechte Stimmung habe ich auf meinen sensiblen Vizsla übertragen, der dann nahezu mit einer kompletten Verweigerung reagierte. Das machte mich zunächst unsicher und ich zweifelte häufig am Erfolg meiner Erziehung. Bis ich merkte, dass Bayard nichts anderes tat, als genau diese Unsicherheit zu spiegeln. Dabei braucht der Vizsla einen sicheren und durchsetzungsstarken Führer, an dem er sich orientieren kann!

Gerade zu Beginn seiner Ausbildung habe ich schnell ungeduldig reagiert, wenn ich meine Befehle korrigieren musste. Daher arbeite ich in der jetzigen Phase der Pubertät, in der er gerne seine Grenzen austestet, gar nicht mehr so sehr an seinem Gehorsam, sondern vor allem an meinen eigenen Emotionen. Ich versuche, möglichst ruhig und gelassen zu reagieren, wenn er einen Befehl auflöst. Und bringe ihn dann zum Beispiel zurück ins Sitz oder Platz. Das kann bedeuten, dass ich mitunter auch fünf oder sechs Mal korrigieren muss, bis er wirklich sitzen bzw. liegen bleibt. Und natürlich kostet das Nerven.

Aber nur durch die stetige Korrektur lernt der Vizsla, dass ich als Führer am längeren Hebel sitze. Und nicht er die Befehle auflöst, sondern ich.

Der Vizsla als „sensibler Schauspieler“

Dabei tritt dann gerne eine Eigenschaft zu Tage, die wie keine andere dafür gesorgt haben dürfte, dass man den Vizsla als „Sensibelchen“ abstempelt. Wird der Vizsla konsequent korrigiert, reagiert er oft als „armer, gequälter Hund“: Er lässt sich auf den Boden fallen, jault herzzerreißend oder wendet den ultimativen Hundeblick an. Diese schauspielerischen Fähigkeiten führen oft dazu, dass ich von anderen Hundebesitzern viel Unverständnis ernte. Warum? Der Vizsla tut als kleine Drama-Queen alles, damit bei anderen genau dieser Eindruck des gequälten und geschundenen Hundes entsteht. Hier heißt es dann, in doppelter Hinsicht stark zu bleiben: Einerseits gegenüber dem Schauspieltalent des Vischels, andererseits gegenüber den belehrenden Ermahnungen der Umwelt, die nicht verstehen, dass man dem Vizsla mit genau dieser Konsequenz einen Gefallen tut.

Denn er wird bei erledigter Aufgabe so stark gelobt und dadurch in seinem korrekten Verhalten bestärkt, dass es ihm Spaß macht, mit mir zu arbeiten. Er zeigt sich stolz und voll Freude, wenn er einen neuen Befehl gelernt und richtig ausgeführt hat. Und genau das ist es, was der Vizsla möchte: Er will gefallen. Und gleichzeitig arbeiten und gefordert werden.

Mein Fazit

Ja, der Vizsla ist ein unglaublich feinfühliger Hund, der sensibel auf äußere Reize und die Stimmung seines Besitzers reagiert. Ihn deshalb als „ängstliches Sensibelchen“ abzustempeln und mit mangelnder Konsequenz zu verhätscheln, ist jedoch falsch. Vielmehr braucht der Vizsla eine durchsetzungsstarke Hand, die ihm liebevoll Gehorsam beibringt. Denn diesen bringt der Vizsla nicht etwa von Geburt an mit, sondern muss ihn erst erlernen. Und das kann beim Vischel als echte Drama-Queen durchaus anstrengend sein. Aber ich versichere Euch: Die Arbeit lohnt sich!

Bis dahin: Stay Vizsladdicted!

6 Kommentare

  1. Isabelle K.

    Liebe Christina,

    vielen Dank für die treffenden Worte über Vizsla’s. Ich erlebe genau die von dir beschriebenen Situationen. Unser Rüde ist mittlerweile 3,5 Jahre, nicht kastriert (da er sich selbst bei einer laufigen Hündin komplett zurück halt) und ich habe sooooo viel von ihm gelernt. Wir hatten schon viele Hunde, aber keiner hat soviel Konsequenz, Geduld und Ruhe benötigt wir er. Kein Hund für Anfänger, meiner Meinung nach. Wer sich bereit ist reinzuknien und gemeinsam mit dem Hund zu arbeiten findet einen schlauen, sehr loyalen und tollen Begleiter.
    Vielen Dank für den Artikel.
    Liebe Grüße

    Antworten
    • Christina

      Hallo Isabelle,
      danke für das schöne Feedback! Ich kann Dir nur voll uns ganz zustimmen. Konsequenz, Geduld und Beharrlichkeit sind essenziell bei der Erziehung eines Vizslas. Und ja, wenn die ersten Hürden umschifft sind, hat man einen Freund fürs Leben und einen loyalen Begleiter, der alles mitmacht. Natürlich gibt es immer wieder mal kleine „Baustellen“, aber ich mag es sehr, gemeinsam an Ihnen zu arbeiten. Ich wünsche Dir und Euch weiterhin ganz viel Freude mit und an Eurem Hund.
      Sonnige Grüße,
      Christina

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  2. Johannes Hoffart

    Guten Abend Frau Klug, haben einen 2. jährigen Vizsla und z.Zt. ein größeres Problem! Wissen leider momentan nicht weiter…Dürfte ich mich telefonisch bei Ihnen melden? Viele Grüße und einen schönen Abend…Johannes Hoffart

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    • Christina

      Guten Tag Herr Hoffart,
      ich hatte Ihnen nochmal geschrieben. Vielleicht können Sie einmal in Ihren Mails nachsehen 🙂
      Viele Grüße,
      Christina

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  3. Julie

    Das mit den Emotionen kommt mir bekannt vor. Ich habe gerade so viele Frustspaziergänge mit meinen 20 Monate alten Rüden, dass ich kurz davor bin, seine Erziehung einfach aufzugeben. Wir hatten einmal eine wundervolle Bindung und er hat so toll gehorcht, das ist jetzt komplett dahin. Ich bin nur noch genervt und gestresst von ihm und es kostet so viel Kraft. Keine Ahnung, wie man den Teufelskreis durchbrechen kann. Aber wenigstens gibt der Erfahrungsbericht ein wenig Hoffnung.

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    • Christina

      Hallo Julie,
      das tut mir sehr leid zu lesen! Es ist schade, dass sich bei Euch so viel Frust aufgebaut hat. Woran liegt es denn genau? Also was „funktioniert“ nicht? Ich hatte diese Phasen mit Bayard auch und habe uns beiden dann oft eine Pause gegönnt. Also nicht mehr trainiert – denn die ständigen vermeintlichen (!) Misserfolge haben diesen Frust verursacht. Und das auf beiden Seiten. Ich durfte dann oft feststellen, dass das eigentliche Problem bei mir und nicht dem Hund lag. Weil ich selbst gestresst war oder mit dem Kopf woanders, zu viel erreichen wollte und ohne Ende Druck in die gemeinsame Erfahrung reingebracht habe. Wie ist es denn bei Euch? Hat sich vielleicht an Eurem Ablauf aktuell etwas geändert?
      Ich hoffe sehr für Euch, dass Ihr wieder einen Weg findet, Spaß und Freude an- und miteinander zu haben!
      Viele liebe Grüße,
      Christina

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