Ruheübung für den Vizsla beim Spaziergang

von Mrz 31, 2021

Wie viele andere Jagdhundrassen neigt auch der Vizsla zu Unruhe und Anspannung. Besonders in reizintensiven Umgebungen wie auf einem Spaziergang ist ein entspanntes Ablegen oft eine große Herausforderung. Kleinste Geräusche und Bewegungen reichen aus, damit der Vizsla aus seiner Ruhe gerissen wird. Mithilfe eines speziellen „Calm down“-Trainings habe ich das mit Bayard geübt und sehr positive Effekte erzielt, die sich auch im Alltag sinnvoll einsetzen lassen. Wie genau ich dabei vorgegangen bin, möchte ich in meinem heutigen Beitrag erläutern.

Eine gesunde Mischung aus Action und Ruhe

Während ich durch ein konsequentes Boxentraining etabliert habe, dass Bayard in der Wohnung schläft und ruht, weiß er auch, dass ihn auf unseren Spaziergängen meistens Action erwartet: Dummytraining, Fährtensuche, Mantrailing oder Canicross – unsere Routine sieht regelmäßige körperliche und geistige Auslastung vor. Nichtsdestoweniger gibt es genügend Spaziergänge, auf denen nichts passiert. Bayard darf dann einfach frei laufen und schnüffeln. Gerade nach Tagen mit entsprechenden Trainingseinheiten folgt normalerweise immer mindestens ein Tag, an dem ich die Outdooraktivitäten auf ein Minimum zurückfahre. Ebenso nach Tagen, in denen er in der Hundetagesstätte oder in der Hundeschule war.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Bayard diese „Regenerationstage“ ebenso braucht, wie Action und Auslastung. Er schläft dann viel und ich merke, dass er in dieser Zeit wieder runterfährt und alle Eindrücke in Ruhe verarbeitet.

Wieso Ruhe auf Spaziergängen für den Vizsla wichtig ist

Natürlich weiß ich auch, wie sich ein aufgedrehter und reizüberfluteter Vizsla verhält. Und es war damals meine Schuld, dass es so weit gekommen ist. Denn gerade am Anfang habe ich nicht erkannt, dass zu viel Auslastung das genaue Gegenteil bewirkt und den Vizsla nicht etwa ruhiger und ausgeglichener werden lässt. Vielmehr erlebte ich einen Hund, der ständig angespannt war und sich nicht auf den eigentlichen Spaziergang – geschweige denn auf mich – konzentrieren konnte. Er verwandelte sich in einen aufgedrehten „Hanns Guck-in-die-Luft“, der mit seinen Gedanken und Sinnen überall war. Nur nicht bei mir!

So funktionierte in solchen Situationen der Rückruf meist schlechter, Bayard weitete seinen Radius zu sehr aus oder verließ die Wege – was bei uns sonst ein No-Go ist. Als Reaktion landete er dann oft an der Leine, was für mich der einzige Weg war, ihn wieder in die Konzentration zu holen. Entspannt war das für niemanden. Und am wenigsten für ihn.

Ruheübung nach Anton Fichtlmeier

In meinem Bestreben, die Spaziergänge für beide Seiten entspannter zu gestalten, stieß ich dann auf die Ausbildungsmethoden von Anton Fichtlmeier, dem Experten für Jagdhunde wie Vizsla oder Weimaraner. In seinem Buch „Der Hund an der Leine“ erklärt er, wie er über eine Ruhe-Übung als Grundlage für die Leinenführigkeit etabliert.

Dazu wird die Leine als ein passives Signal auf den Boden gelegt und mit einem Fuß fixiert. Hat der Mensch diese Position eingenommen, wird der Hund ignoriert. Es gibt keine Ansprache, keine Kommunikation (auch nonverbaler Natur) und keine Aufmerksamkeit. Anfänglich wird der Hund vermutlich versuchen, sich aus der für ihn begrenzenden Situation zu lösen – gerade wenn die Umgebung doch so viel spannender ist. Nach Fichtlmeier heißt es nun: Durchalten und jedes Ziehen, Winseln oder Bellen ignorieren. Er empfiehlt, die Übung zunächst im Garten zu trainieren und sich dabei hinzusetzen und sich mit etwas Anderem zu beschäftigen.

Nach dem Prinzip „Ruhe löst Ruhe aus“ wird auch der Vizsla schnell begreifen, dass es für ihn am meisten Sinn macht, sich in dieser Situation einfach zu entspannen. Und er wird das Signal „Leine auf dem Boden“ automatisch damit verknüpfen. Im Idealfall nimmt der Hund irgendwann automatisch eine entspannte, ruhende Haltung ein, sobald die Leine auf den Boden gelegt wird.

Ich finde, die Übung eignet sich also nicht nur, um „Ruhe zu lernen“, sie kann später auch bei Restaurantbesuchen oder beispielsweise beim Dummytraining angewendet werden. Voraussetzung ist natürlich eine regelmäßige Wiederholung bis das passive Signal wirklich sitzt.

Calm down beim Spaziergang

Ich habe die Ruhe-Übung nach Anton Fichtlmeier sofort draußen beim Spaziergang ausprobiert. Allerdings an einer wirklich reizarmen Stelle und zu einer Tageszeit, an der ich ohne Zeitdruck war. Ich merke nämlich immer wieder, dass sich meine eigene innere Unruhe und der ständige Blick auf die Uhr direkt auf Bayards Verhalten auswirken. Was das angeht, sind unsere Vischels einfach zu intelligent und sensibel. 😉

Ich habe mich also auf eine Bank gesetzt, den Fuß auf die Leine gestellt und Bayard ins „Platz“ gelegt. Ganz typisch für ihn diskutierte er am Anfang viel: Löste sich immer wieder aus dem Platz, „meckerte“ und kaute aus reiner Frustration auf Stöcken und Blättern herum, die in seiner Nähe lagen.

Vizsla streubt sich gegen Ruheübung beim Spaziergang
Zu Beginn wollte Bayard nicht liegen bleiben und „diskutierte“ viel.

Ich habe ihn ruhig und bestimmt immer wieder korrigiert und ins Platz gelegt, denn er darf sich aus einem solchen Kommando nicht von selbst lösen. Seine sonstigen Reaktionen habe ich ignoriert und mich – der Empfehlung von Fichtlmeier entsprechend – mit meinem Handy beschäftigt. Nach etwa 20 Minuten war dann ein Zustand erreicht, in dem Bayard zumindest dauerhaft lag. Sein Kopf, seine Ohren und seine Nase waren aber noch immer mit der Umgebung beschäftigt.

Vizsla wird bei Ruheübung korrigiert und zurück ins Platz geschickt
Sofortige Korrektur, wenn Bayard sich aus dem Platz löste

Trotzdem lobte ich ihn und löste das Kommando. Die nächsten Tage gab es dann auf jedem Spaziergang einen „Calm down“. Und ich bemerkte, dass Bayard immer schneller in die Ruhe fand. Nach einiger Zeit gelang es ihm sogar, aus dem „angespannten Platz“ in ein „entspanntes Platz“ zu wechseln. Auch seinen Kopf legte er hin und wieder ab.

Vizsla wird nach erfolgreicher Ruheübung gelobt mit Leckerlie
Die Ruheübung wird durch positive Bestärkung (z.B. ein Leckerlie) beendet

Dieses Verhalten lobte ich und löste die Übung auf. Nach etwa einer Woche geschah dann das bin dahin Unvorstellbare: Obwohl wir an einer Stelle warteten, an der wir uns für gewöhnlich mit Bayards Hundefreunden treffen und an der er deshalb immer sehr unruhig ist, legte er sich nur wenige Sekunden, nachdem ich den Fuß auf die Leine gestellt hatte, hin.

Die positiven Effekte der Ruheübung auf den Vizsla

Insgesamt wirkte sich die regelmäßige Ruheübung sehr positiv auf Bayard aus. Er ist nach dem Calm Down konzentrierter und mir gegenüber aufmerksamer. Der Gehorsam funktioniert besser und insgesamt wirkt er ausgeglichener. Mittlerweile streue ich die Übung immer dann ein, wenn ich merke, dass Bayard überdreht ist oder auf Action lauert. Aber auch „zwischendurch“ frische ich das Runterkommen immer mal wieder auf.

Unser nächstes Ziel

Während sich die Ruheübung auf Spaziergängen mittlerweile gut etabliert hat, arbeiten wir weiter an Bayards großer Baustelle, dem Calm Down, wenn wir bei anderen Personen zu Besuch sind. Besonders bei meinen Eltern oder in völlig neuen Umgebungen hat Bayard nach wie vor sehr große Schwierigkeiten, sich abzulegen und im Platz zu bleiben. Er wird dann unruhig oder tut alles, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Hier heißt es für mich: Starkbleiben! Und auch in solchen Situationen mit ruhiger Konsequenz die Ruhe durchzusetzen. Denn ich weiß, dass wir beide gleichermaßen profitieren, wenn er in solchen Situationen entspannt bleibt.

Wie reagiert Ihr bei Abspannung Eures Hundes? Und habt Ihr Ruhe auf Spaziergängen und zu Hause bewusst trainiert? Ich bin gespannt, auf Eure Erfahrungen in den Kommentaren! 😊

Bis dahin: Stay Vizsladdicted!

6 Kommentare

  1. Pauline

    Vielen Dank für deine konstruktiven und wunderbar beschriebenen Übungen. Nach 4 Tagen bei den Schwiegereltern brauche ich genau solche Tipps! Zuhause fangen wir direkt an!

    Antworten
    • Christina

      Hallo Pauline,

      ich freue mich, Deinen Kommentar zu lesen. Wieso braucht Ihr die Übungen gerade bei einer Zeit nach den Schwiegereltern? Verwöhnen die den Hund genauso wie Bayard’s menschliche Großeltern? Lasst mich gerne mal wissen, wie und ob Euch die Übungen geholfen haben.

      Viele liebe Grüße,

      Christina & Bayard

      Antworten
  2. Jenny

    Vielen Dank für die guten Tipps. Ich versuche bei meiner Vizslahündin auch gerade mehr Ruhe auf den Spaziergängen reinzubringen. Du hast in dem Post erwähnt, dass Bayard nur auf dem Weg bleiben darf, wie habt ihr dies etabliert? Vielleicht könnt ihr uns ein paar Tipps geben 😀
    Liebe Grüße
    Jenny und Frieda

    Antworten
    • Christina

      Hallo Jenny und Frieda,

      danke für Euren Kommentar, über den ich mich sehr freue! Ich habe Bayard anfangs häufig an der Schlepp- oder Rollleine geführt und ihn dann immer wieder rangerufen, wenn er den Weg verlassen hat und belohnt. Auch heutzutage im Freilauf korrigiere ich ihn, wenn er den Weg doch mal verlässt. Er hat ziemlich schnell begriffen, dass er eben nicht links und rechts laufen soll. Je früher man anfängt, desto leichter ist es natürlich 🙂

      Ich hoffe, das hilft Euch weiter.

      Viele liebe Grüße,
      Christina & Bayard

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  3. Amelie

    Hallo Christina,

    du sagst, dass bei der Ruheübung keinerlei Kommunikation erlaubt ist, weder verbal, noch non-verbal. Dann sagst du aber, du hast Bayard ins Platz gelegt, vermute non-verbal und in Folge auch immer wieder korrigiert.
    Das widersprach sich für mich jetzt ein wenig…
    Freu mich über deine Rückmeldung.
    GLG Amelie

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    • Christina

      Hallo Amelie,
      vielen Dank für Deine Nachricht und natürlich hast Du Recht. Letztlich ist jede Interaktion mit dem Hund eine Art Kommunikation. Dazu gehört natürlich auch die Korrektur. Was ich meinte, war die für uns Menschen „offensichtlichere“ Form der Kommunikation, d.h. eine aktive Ansprache, verbales Korrigieren etc. Ich werde mal schauen, dass ich es evtl. noch etwas expliziter im Beitrag voneinander trenne.
      Viele liebe Grüße,
      Christina

      Antworten

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