Wer in englischen Veröffentlichungen etwas über den Vizsla liest, wird mit Sicherheit schon einmal über den Begriff „velcro dog“ gestolpert sein. Heute möchte ich erklären, was dieser Begriff bedeutet und der Frage nachgehen, ob der Magyar Vizsla diesen Titel wirklich zu Recht erhalten hat.
Was ist ein „velcro dog“?
Velcro bedeutet wörtlich übersetzt „Klettverschluss“. Es existiert sogar eine britische Firma mit dem Namen Velcro, die – ihr ahnt es bestimmt – textile Verschlussprodukte und unter anderem eben auch Klettverschlüsse herstellt. In der englischen Sprache ist der Begriff „velcro“ daher jedem geläufig. Und wird eben auch in Verbindung mit dem Magyar Vizsla genuzt.
Ihr fragt euch wieso? Nun, dann könnt ihr bislang keinem Vizsla begegnet sein. Wer die zimtfarbene Rasse nur ein wenig kennt, kann auf Anhieb sicher mindestens zehn Situationen beschreiben, in denen sich der Hund wie ein echter Klettverschluss verhält.
Dennoch wird es an dieser Stelle nicht langweilig! Denn wisst Ihr auch, woher diese besondere Eigenschaft kommt? Und wieso man einen „velcro dog“ trotzdem nicht als einen „Hund mit Trennungsangst“ bezeichnen kann? Beides möchte ich Euch im Folgenden gerne erklären.
Der Vizsla wurde als „velcro dog“ gezüchtet
In einem meiner früheren Blogbeiträge habe ich mich bereits ausführlich mit der Geschichte des Magyar Vizsla beschäftigt. Bei einer groß angelegten Spurensuche habe ich erfahren, dass die Rasse dafür gezüchtet wurde, bei der Jagd voran zu laufen und mit ihrer extrem guten Spürnase Wild zu erschnüffeln. Durch das charakteristische Vorstehen – also das starre Fixieren mit erhobenem Vorderfuß – zeigt der Vizsla seinem Jäger einen Wildfund an.
Für die Zucht wurden daher jene Hunde ausgewählt, die gut mit ihrem Jäger zusammenarbeiten. Und „gut zusammenarbeiten“ heißt in dem Fall natürlich, sich nicht nur auf das Erschnüffeln des Wilds zu konzentrieren, sondern vor allem auch auf den Menschen und seine Befehle. Das „Vorweglaufen“ bedeutet daher im Idealfall nur wenige Meter. Ein gut ausgebildeter und jagdlich geführter Vizsla ist extrem aufmerksam, rückversichert sich regelmäßig und passt sein Tempo dem des Jägers an.
Die Nähe und der enge Bezug zum Menschen sind daher nicht bloß Zufall, sondern Eigenschaften die über Jahrhunderte in diese Rasse hineingezüchtet wurden. Doch auch wer seinen Vizsla nicht jagdlich führt, wird diese genetisch bedingte Eigenart des „Klettenhunds“ in vielen anderen Situationen beobachten können.
Wie verhält sich ein „velcro dog“?
Einen echten „velcro dog“ erkennt man an seinem Verhalten, das buchstäblich dem eines Klettverschlusses gleicht. Hunde solcher Rassen kleben an den Fersen ihrer Menschen, folgen ihnen auf Schritt und Tritt und werden zu einer Art „zweiter Schatten“.
Du stehst auf und gehst in einen anderen Raum? Dein Vizsla wird Dir folgen. Und zwar ganz egal in welchen Raum. Selbst im Badezimmer ist er gerne dabei und das Schlafzimmer ist in den meisten Fällen ja sowieso sein Schlafplatz. „velcro dogs“ sind extrem aufmerksam. Vielleicht ist es Dir sogar schon mal passiert, dass Dein Vizsla aufsteht und zu Dir kommt, obwohl Du nur den Gedanken daran hattest, dass es nun zum Spaziergang nach draußen geht? Als extrem gute Beobachter reagieren unsere Vischels, wie andere „velcro dogs“ zu denen viele Jagdhundrassen aber auch einige Hütehunde gehören, auf kleinste Veränderungen in der Körpersprache ihres Menschen.
Sie gelten zudem als besonders verschmust und meiner Meinung nach ist dies auch eine der Ausprägungen des „Klettenhunds“. Ich kann mich auf kaum einen Stuhl setzen, ohne dass Bayard mit seinen 26 kg Kampfgewicht auf meinen Schoß gekrochen kommt. Und sobald ich mich auf der Couch niederlasse, ist das für ihn automatisch die Einladung zu einer ausgiebigen Streicheleinheit – die am liebsten auf mir stattfindet.
Entscheidet Ihr Euch für einen Vizsla, entscheidet Ihr Euch genau für dieses Verhalten. Kurze zimtfarbene Haare auf so ziemlich jedem Kleidungsstück, dem Sofa oder dem Bett stören Euch? Oder Ihr reagiert genervt, wenn Euer Hund ständig hinter Euch steht? Dann solltet Ihr besser eine andere Rasse in Betracht ziehen. Denn der Vizsla braucht diese enge Verbindung und wird sie – solltet Ihr Euch verweigern – sehr klangvoll und penetrant einfordern.
Haben „velcro dogs“ Trennungsangst?
Der Wunsch, immer bei seinen Menschen sein zu wollen, legt die Vermutung nahe, dass Vizslas nicht alleine sein können und grundsätzlich unter Trennungsängsten leiden. Dies kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung mit der Rasse nicht bestätigen. Ja, der Vizsla begleitet gerne auf Schritt und Tritt, legt sich aber genauso gerne in sein Körbchen, um dort in Ruhe zu schlafen. Und das problemlos auch für 4-5 Stunden. Vorausgesetzt natürlich, Euer Vischel ist entsprechend ausgelastet.
Die Trennungsangst, von der tatsächlich so mancher Vizsla-Besitzer spricht, ist leider oftmals ein hausgemachtes Problem und nicht zwangsläufig eine Charaktereigenschaft des Hundes.
Kann man Trennungsangst anerziehen?
Viele Vizslas, die schlecht alleine bleiben können, während der Abwesenheit Einrichtungsgegenstände zerkauen oder anderen Schabernak anstellen, sind bei ihren Menschen häufig der absolute Mittelpunkt im Tagesablauf. Konstantes Ansprechen des Hundes, regelmäßiges Kraulen, immer wieder ein Leckerchen zwischendurch – all das ist zwar gut gemeint, führt aber bei einer reizempfindlichen Rasse wie dem Vizsla dazu, dass der Hund sich natürlich nicht von seinem Menschen lösen möchte. Wo er doch den ganzen Tag immer wieder tolle Sachen geboten bekommt.
Ich habe mit Bayard – auch wegen seiner Aufgabe als „Bürohund“ – schon früh die Routine etabliert, dass er nach den Spaziergängen etwas zu fressen bekommt und es danach von mir kaum noch Aufmerksamkeit gibt. Er weiß dann automatisch, dass er sich zurückziehen und völlig entspannen kann. Das heißt nicht, dass ich meinen Hund ignoriere oder nicht auch viel mit ihm kuschele – aber eben zur richtigen Zeit. Vor allem habe ich mir abgewöhnt, ihn aufzuwecken oder zu streicheln, wenn er schläft. Sobald er in seinem Körbchen liegt, darf und soll er dort ungestört ruhen.
Das Alleinebleiben mit dem Vizsla trainieren
Wenn Ihr einen Vizsla-Welpen bekommt, kann ich Euch nur empfehlen, das Alleinebleiben so früh wie möglich zu trainieren, indem ihr zunächst sekunden-, dann minutenweise das Haus verlasst. Euer Hund wird automatisch lernen, dass Ihr immer wieder zurückkommt und er nicht aufgeregt hinter der Tür warten muss.
Auch das Boxentraining kann ein guter Helfer sein, um die Ruhe im Haus und eben auch das Alleinebleiben in den Griff zu bekommen. Dazu habe ich in einem anderen Blogbeitrag meine Erfahrungen geschildert.
Zudem helfen eine gesunde körperliche und geistige Auslastung dabei, mögliche Trennungsängste zu reduzieren. Leider neigen Hunde, die mental nicht richtig gefördert werden, dazu, ihre Langweile durch das typische „velcro dog“-Verhalten zu kompensieren.
Ihr seht, ein paar Regeln können dabei helfen, dass sich Euer „velcro dog“ nicht in einen Hund mit Trennungsängsten verwandelt, sondern ein ganz normaler – wenn auch extrem anhänglicher – Hund wird. Aber, was soll ich sagen? Ich liebe meinen zimtfarbenen Schatten und freue mich darüber, dass er mich in meinen Leben und eben auch auf Schritt und Tritt begleitet.
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